Orgel bei Wien modern

Iveta Apkalna (Foto: Wien Modern / Markus Sepperer)

 

Am 30. November 2019 fand das Abschlusskonzert von Wien Modern 32 im Großen Konzerthaussaal statt. Drei österreichische Erstaufführungen standen auf dem Programm: Mark Andres „über“ für Klarinette, Live-Elektronik und Orchester, Peter Eötvös’ „Multiversum“ für Konzertorgel, Hammondorgel und Orchester und Peter Ablingers „Wachstum, Massenmord“ für Orchester mit Untertiteln. Unterschiedlicher hätten die drei Stücke nicht sein können. Das Klarinettenstück: gehaucht, atmend, Windsäuseln im Orchester, filigran, schwebend, meditativ mit kurzen Tönen aufblitzend. Spannend allzumal und mit langem Applaus belohnt.

Nun zum zweiten Stück, das für das Orgelforum wohl die Erwähnung im Blog rechtfertigt. Nicht nur, weil der Pfeife das tonewheel gegenüberstand, sondern auch weil das Konzert für die Elbphilharmonie in Hamburg komponiert wurde, von Iveta Apkalna uraufgeführt, die auch in Wien den Orgelpart übernahm. An der Hammond-Orgel László Fassang, der auch schon bei der Uraufführung 2017 dabei war. Teils wenig mit Aufmerksamkeit bedacht (Die Presse vom 2. Dezember) oder mit Attributen wie „old school“ oder „Actionspektakel“ (Standard vom selben Tag) versehen, war das Stück gerade wegen des massiven Unterschieds zu dem davor Gehörten der Aufmerksamkeit wert. Starke Kontrastwechsel, immer größer werdende Intervalle, äußerst farbige Instrumentierung und die Art der Aufstellung des Orchesters sollte die Assoziation mit dem Weltall symbolisieren. Schade, dass die Balance zwischen Orchester und den beiden Orgeln nicht so recht gelang. An vielen Stellen war das Orchester zu laut (oder die Orgel zu leise), sodass die von Frau Apkalna sorgfältig vorbereitete Registrierung kaum oder gar nicht zur Geltung kam. Wie differenziert sie vorgegangen war, erkannte man vor allem an der häufigen Betätigung des Sequenzers und der Bewegung der Registerschalter. Eine virtuose Pedalstelle konnte man nur an der Bewegung ihrer Füße verfolgen. Nur bei leiseren Orchesterstellen war das perfekte Zusammenspiel beider Orgeln gut zu hören. Das scheint daran gelegen zu haben, dass (wie mir ein Orchestermusiker berichtete) die Orgelprobe ohne Orchester stattfand, wobei die Registrierung festgelegt wurde, an der sich dann nichts mehr änderte. Das Stück gibt es in einer Aufnahme von 2017 zum Nachhören im Internet.

Das letzte Stück war eine Weiterentwicklung einer Idee, die Ablinger schon vor 10 Jahren entwickelte: Anwendung des Vocoders (Zerlegen des Spektrum eines Klangs und Rekonstruktion über eine andere Tonquelle) als „Sprechendes Klavier“. Hier benutzte er die 88 Tonhöhen der Klaviatur, um 88 Frequenzabschnitte zu rekonstruieren. Im gegenwärtigen Stück nutze er die Frequenzen eines Orchesters von der Tuba bis zu höchsten Violinsaite als „Carrier“ für die Rekonstruktion. Der projizierte Text war deutlich nachzuvollziehen, aber wegen der mehrfachen Wiederholungen etwas lang.

 

Peter Donhauser

 

Leave a comment

Your email address will not be published. Required fields are marked *